Fachartikel Der Darm als Ursache des metabolischen Syndroms

Oberbauch mit Darm

Fachartikel „Der Darm als Ursache des metabolischen Syndroms“, erschienen Februar 2018 im Naturheilkunde Journal

Der Darm als Ursache des metabolischen Syndroms
Beim metabolischen Syndrom liegt eine Kombination von Adipositas und Hypertonie zusammen mit Störungen im Fett- und Zuckerstoffwechsel vor. In der naturheilkundlichen Therapie haben wir viele Optionen. Der Darm kann aber als Therapieblockade unsere bewährten Methoden torpedieren. Es können zwei Mechanismen vorliegen, die aber auch Hand in Hand agieren können: chronische Entzündung durch ein Leaky Gut-Syndrom und eine Störung der Darmmikrobiota.

Die ganzheitliche alternativmedizinische Behandlung baut sich in meiner Praxis auf vier Säulen auf: die konstitutionelle-personotrope
Therapie, die Ernährung, die organotrope Therapie und die Beseitigung von Therapieblockaden.
Bei der konstitutionellen Therapie gibt es viele Möglichkeiten. Ich verwende in meiner Praxis hierzu häufig die klassische Homöopathie. Aber auch prozessorientierte Homöopathie, homöopathische Komplexmittel nach Irisdiagnose oder TCM-Akupunktur
setze ich regelmäßig ein. Bei der Ernährung empfehle ich unseren Patienten mit metabolischem Syndrom, dass er sich am glykämischen Index orientiert.

Bei der organotropen Therapie kommen verschieden pflanzliche und orthomolekulare Mittel zum Einsatz. Teilweise sind es Erkenntnisse aus der Erfahrungsheilkunde, teilweise sind es wissenschaftliche abgesicherte Erkenntnisse, die uns diese Mittel näherbringen: Copalchibaumrinde, Zimt, Zink, Magnesium, Chrom. Zur Verhinderung von diabetischen Spätkomplikationen werden
Antioxidantien, wie Vitamin C, OPC, Taurin, Lycopin und Vitamin E eingesetzt. Ich gehe nach einem Stufenschema im organotropen Bereich vor. Erstes Mittel ist Inudin sugar block (Fa. Inus, 2-mal täglich 1 Kapsel). Es enthält neben Magnesium, Zimt, Folsäure und Chrom noch OPC, Taurin und Lycopin als Antioxidantien. Wenn dies nicht ausreicht, so verordne ich zusätzlich Sucontral (Fa. Harras, 2-mal täglich 1 Kapsel). Hauptbestandteil dieses Mittels ist die Copalchibaumrinde (Hintonia latiflora). Weiterhin
enthält dieses Mittel B-Vitamine, Biotin, Vitamin C und E. Wenn diese Therapie auch noch nicht ausreichen sollte, so erhöhe
ich die Dosierung des Sucontrals auf 3-mal täglich 1 Kapsel bei weiterhin 2-mal täglich 1 Kapsel Inudin sugar block.
Bestimmte Therapieblockaden behindern die naturheilkundliche Behandlung recht stark: Störfelder, Belastungen mit chemischen
Stoffen, Übersäuerung des Bindegewebes, Mangel an Vitalstoffen, elektromagnetische oder geopathogene Störungen,
Belastung durch ionisierende Strahlung oder Störungen des Darms mit Fehlbesiedlung der Darmflora. Gerade dieser letzte
Punkt soll im Fokus dieses Artikels stehen.

Leaky Gut-Syndrom
Durch Störungen der epithelialen Tight junctions kommt es zu einer erhöhten Permeabilität der Darmwand. Dies nennt man ein
Leaky Gut-Syndrom. Es kommt dadurch zu einer verstärkten Konzentration von bakteriellen Lipopolysacchariden (LPS) im Blut.
Dadurch bildet das Immunsystem vermehrt proinflammatorische Zytokine, wie das TNF-. Dies hat gleich eine doppelt negative Auswirkung auf die Pathophysiologie des metabolischen Syndroms. Zum einen setzen diese Zytokine die Insulinwirkung und die
Glukoseprozessierung herab. Zum anderen stimulieren sie eine vermehrte Transkription des Enzyms 11_-HSD-1. Dieses aktiviert die
Glukokortikoide und fördert damit die Entstehung einer Adipositas.

Diagnostik
Bei einem Patienten mit einem metabolischen Syndrom sollten wir immer an die Möglichkeit denken, dass ein Leaky Gut-
Syndrom besteht. Aktuell setzt man meist zur Diagnostik eine Stuhluntersuchung ein.
Eine Erhöhung des Alpha-1-Antitrypsins in Kombination mit einer Erhöhung oder Verminderung des sekretorisches IgA ist anzeigend. Ein weiterer Parameter ist das Zonulin im Serum oder im Stuhl. Wir können auch im Serum die Konzentration der bakteriellen Lipopolysaccharide bestimmen lassen. Hierfür muss bei der Blutabnahme ein LPS-freies Spezialröhrchen verwendet werden. Eine Bestimmung des TNF-Œ im Serum zeigt die chronische Entzündung an.

Behandlung des Leaky Gut-Syndroms
Zur Behandlung eines Leaky Gut-Syndroms müssen zum einen die entzündlichen Immunprozesse im Darm reduziert und die Regeneration der Darmschleimhaut unterstützt werden. Zum anderen ist die Beseitigung der Ursachen essentiell. Wenn die
Ursache nicht beseitigt wurde, dann kann sich die Darmwand meist auch nicht richtig regenerieren. Zu den Ursachen zählen:
* regelmäßiger Kontakt mit darmwandschädigenden Stoffen, wie ASS, Alkohol, Nikotin, Titandioxid, Quecksilber, Formaldehyd
oder Amylase-Trypsin-Inhibitoren
* pathogene Darmkeime oder die Überwucherung der Dünndarmmikrobiota mit Dickdarmkeimen (SIBO)
* entzündliche Reizung durch klassische Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Nahrungsmittel-Allergie, Histaminintoleranz,
Zöliakie, Laktoseintoleranz, Fruktosemalabsorption
* psychischer und physischer Stress, sowie Leistungssport
* Mangelzustände von Coenzym Q10, Zink, Selen, Vitamin D und B.

Die Regeneration der Darmschleimhaut können wir durch orthomolekulare Substanzen oder Präbiotika unterstützen. Durch den
Einsatz von darmregenerativen Mikronährstoffen, wie der Aminosäure L-Glutamin, BVitamineund Zink, fördert man den Wiederaufbau der Darmschleimhaut. Auch die Regeneration des Darmschleims ist essentiell, die man mit Phosphatidylcholin unterstützen kann. Hier kommt aber auch Teilen der Mikrobiota eine besondere Bedeutung zu: Akkermansia muciniphilia baut Schleim ab und induziert damit eine Produktion von neuem Schleim. Als Stoffwechselprodukte entstehen hierbei Oligosaccharide, Propion- und Essigsäure, die einem weiteren Keim, dem Faecalibacterium prausnitzii, als Nährstoffe dienen. Er wiederum synthetisiert Buttersäure (Butyrat), welche die Enterozytenproliferation stimuliert und die mucosale Barrierenfunktion
verstärkt. Auch das proinflammatorische NF-kappa B wird gehemmt. Mit Präbiotika können diese beiden Keime unterstützt
werden. Inulin oder Fructooligosaccharide (FOS), die in vielen Symbiotika enthalten ist, nähren den Akkermansia. Resistente Stärke wirkt positiv auf das Faecalbacterium. Sie ist beispielsweise ingrünen Bananen und abgekühlten gekochten Kartoffeln in größeren Mengen enthalten.Alternativ ist das Präparat Symbio Intest im Handel. Nach kinesiologischer Testung setze ich eines dieser Regenerations-Mittel ein:
* Colon Leaky Gut (Fa. Inus Natures`Own)
enthält neben Glutamin, B-Vitaminen und
Zink auch Pektine und Inulin. Neben den
regenerationsfördernden Mikronährstoffen
unterstützt dieses Mittel auch den Akkermansia
muciniphilia, und damit auch
die Neubildung von Schleim.
* Metacare Colon Lecithin (Fa. Institut Allergosan)
enthält auch Glutamin, Zink,
Vitamin B6 und B12, weiterhin Phosphatidylcholin,
Wermut und Molybdän. Dies
fördert die Verdauungsleistung, tonisiert
den Darm und fördert die Schleimproduktion.
* Mucosa Formula (Fa. Biogena) enthält
neben Glutamin, Zink, Selen, Kupfer,
Mangan, _-Carotin und den Vitamine B5,
B6, C, D auch Extrakte der Kamille, Grün-
Tee und Traubenkernen. Die schleimbildende
Komponente fällt hier eher gering
aus. Dafür kombiniert dieses Mittel die
Epithelienregeneration mit der Entzündungshemmung.

Eine bestehende Entzündung und Immunprozesse im Darm verhindern oft, dass sich der Darm regenerieren kann. Hier kommen
pflanzliche Mittel und eine Umstellung derErnährung in Form einer Rotationsdiät in Frage. Der Patient bekommt eine Liste mit
Nahrungsmitteln, die auf vier Tage verteilt sind. Am Tag 1 darf er nur die Nahrungsmittel konsumieren, die in der ersten Spalte der
Liste stehen, am Tag 2 nur die Nahrungsmittel aus Spalte 2, usw. Am Tag 5 kommt wieder die Spalte 1. Das sollte der Patient mehrere
Wochen so durchführen. Er sollte alle Nahrungsmittel, Getränke, Gewürze oder Snacks berücksichtigen. Folgende antiphlogistische
Präparate verordne ich nach kinesiologischem Test: Boswellia papyrifera, Curcurma oder Myrrhinil-Intest.
Eine Fehlbesiedlung der Darmflora kann die Entstehung eines metabolischen Syndroms offenbar beeinflussen.

Mikrobiota
Der Einfluss der Darmflora ist in der Erfahrungsheilkunde schon lange bekannt. So wurden hiermit schon viel früher auch
Krankheitsbilder behandelt, die wir heute als metabolisches Syndrom bezeichnen. Die wissenschaftliche Medizin forscht in den
letzten Jahren aber sehr eindringlich im Bereich der Darmkeime. Es hat sich die Bezeichnung „Mikrobiota“ eingebürgert. Welche
Hintergründe vom metabolischen Syndroms sind schon bekannt?

Adipositas durch FIAF-Hemmung
Das Darmepithel bildet den Lipoprotein-Lipase-Inhibitor FIAF (fasting-induced adipose factor). Er blockiert die Speicherung
von Fett in den Adipozyten. Bei Veränderungen der Darmmikrobiota wird der FIAF gehemmt. So erhöhen sich die Fetteinlagerungen.

Adipositas und Darmmikrobiota
In Studien zeigte sich, dass das Verhältnis von zwei Phyla in der Darmmikrobiota einen Zusammenhang mit Adipositas haben
kann. Es handelt sich dabei um die Bakteroidetes und Firmicuten. Es konnte beobachtet werden, dass bei ungefähr 35 % der
Übergewichtigen deutlich mehr Firmicutes nachgewiesen wurden.

Cholesterinspiegel und Darmmikrobiota
Die Mikrobiota kann aber auch Einfluss auf den Cholesterinspiegel nehmen. Milchsäurebakterien verwerten Gallensäuren. Diese
enthalten auch Cholesterin, welches enterohepatisch somit nicht mehr rückresorbiert wird. Die Leber füllt den Gallensäure-Pool
wieder auf, indem sie dem Blut LDL-Cholesterin entzieht. Für bestimmte Stämme des Lactobacillus plantarum (CECT 7527-7529)
konnte dies in mehreren Studien nachgewiesenwerden.

Behandlung der geschädigten Mikrobiota
Eine Störung in der Mikrobiota kann durch eine Stuhlprobe festgestellt werden. Wenn eine Störung vorliegt, so nützt eine alleinige
Einnahme von probiotischen Keimen meist wenig. Zusätzlich sollten eine Verbesserung der Verdauungsleistung und eine Verminderung von fakultativ pathogenen Bakterienund Pilzen erfolgen. Um die Verdauungsleistung zu verbessern, damit nicht Fäulniskeime in der Darmmikrobiota Wachstumsvorteile haben, können entweder Bitterstoffe oder Enzyme verordnet werden.
Unterschiedliche fakultativ pathogene Keime benötigen ein unterschiedliches Vorgehen. Bewährte Mittel sind: Magnesiumperoxid,
Saccharomyces boulardii, Estogast, AC7-Komplex oder Nystatin. Verminderte Leitkeime sollte der Patient als Multispeziespräperat
über mindestens drei Monate zusammen mit Präbiotika zuführen. Es gibt Mittel mit bestimmten Indikationen: Omni-Biotic metabolic bei Apidositas, Omni-Biotic stress bei Leaky Gut-Syndrom, Probiotik recur bei psychosomatischem Zusammenhang, Symbiolact Cholesterin Control bei erhöhtem Cholesterinspiegel oder Omni-Biotic 10 bei Besiedlung mit fakultativ pathogenen Keimen. Ansonsten kommen hochdosierte Multispeziespräperate zum Einsatz, wie Darmflora plus select (Dr. Wolz), Bactoflor 10/20 (Intercell), Probiotic Stressimmun (Ortho Therapia), Probiotic forte (Ortho Therapia) oder Intest Actif (ImM).

Literatur:
1] Bäckhed F et al: Mechanisms underlying the resistance
to diet-induced obesity in germ-free mice,
Proc Natl Acad Sci USA 2007 Jan 16
2] Cani P et al: Interplay between obesity and associated
metabolic discorders: new insights into the
the gut microbiota, Curr Opin Pharmacol. 2009
3] Kirkamm R & Martin M: Spezielle Labordiagnostik
in der naturheilkundlichen Praxis, Urban &
Fischer 2014
4] Müller F: Leaky-Gut-Syndrom – Ursachen und
Therapieansätze, Naturheilpraxis 8/17
5] Turnbaugh PJ et al.; An obesity-associated gut
microbiome with increased capacity for energy
harvest;Nature 444, 1027–1031 (21 December
2006); doi:10.1038/nature05414